Es geschah so schnell – Erfahrungen der Soka Gakkai nach der Hochwasserkatastrophe

Die Soka Gakkai in Deutschland hat zwei Publikationen – das FORUM, eine Studienzeitung im zweimonatlichen Rhythmus und den EXPRESS, eine Mitgliederzeitung im monatlichen Rhythmus. Beide Zeitungen sind frei abonnierbar. Im Express aus dem September gibt es einen Artikel von Dietmar Vorfeld, den er auf der Grundlage der Erfahrungen der Mitglieder der Soka Gakkai in den Flutgebieten geschrieben hat.

Zur Hochwasserkatastrophe – Bericht aus der Region NRW

Die Hochwasserkatastrophe hat am 14. Juli 2021 viele Menschen überrascht. Dass so etwas in Deutschland passieren kann, hat sich niemand vorstellen können. Stellvertretend für alle betroffenen Mitglieder möchten wir an dieser Stelle aus einigen Hauptstellen der Region NRW berichten. Besonders hart wurden Mitglieder in der Hauptstelle RheinSieg (Ahrtal, Eifel) und in Teilen von Westrhein (Aachen, Jülich) vom Unwetter getroffen.

Viele Menschen haben durch die Unwetterkatastrophe alles verloren. Haus, Wohnung, das gesamte Mobiliar, Kleidung sowie Autos. Teilweise hatten die Menschen in der Nacht, in der das alles geschah, nicht einmal Schuhe an, als sie fluchtartig ihre Wohnung verlassen mussten. Es ging alles so schnell, berichten Mitglieder, dass manchen nur eine Rettung in die oberen Stockwerke blieb. Fünf Minuten später und es wäre zu spät gewesen, man wäre ertrunken. Alle Internet- und Telefonleitungen waren unterbrochen, der Strom fiel aus, Evakuierungen wurden angeordnet. Die Menschen erlebten die Tage mitunter in großer Angst, denn es war nicht abzusehen, was als nächstes passieren würde.

Mittlerweile sind die Aufräumarbeiten im Gange. Es werden täglich Häuser abgerissen, die baufällig oder durch das verschmutzte Wasser verseucht sind. Mitglieder berichten, dass sie zum Schutz einen Mund-Nasen-Schutz tragen sollen, da der Staub des getrockneten Schlamms gesundheitsschädlich ist. Die Zerstörung der Infrastruktur ist enorm: Straßen, Bahnlinien, Brücken, Apotheken, Arztpraxen, Banken, Postfilialen, Vereinsheime, Schulen, Seniorenheime, Tankstellen, Autowerkstätten, Friedhöfe, Metzger, Bäcker, alles zerstört oder weg. Überall gibt es Müllberge, weggeschwemmte Autos, Schlamm in Straßen und Häusern, die noch weggeräumt werden müssen. Hubschrauber, dutzende LKW von Bundeswehr, Feuerwehr, Polizei und THW sind im Dauereinsatz unterwegs.

Vor allem die Solidarität und das große Mitgefühl der vielen Helferinnen und Helfer beeindrucken die betroffenen Mitglieder, seien es professionell organisierte Helfer wie THW und Bundeswehr oder Privatleute die mit großem Einsatz unterstützen, wo sie können. Sach- und Lebensmittelspenden werden verteilt und freiwillige Helfer kommen weiterhin in die betroffenen Gebiete und schaffen den Schutt und Schlamm und die zerstörten Möbel auf Containern weg.

Ein Mitglied erzählt, trotz der schrecklichen Erlebnisse sei diese Zeit nicht nur bedrückend, belastend und geprägt von Isolation, sondern auch von großer Anteilnahme, Solidarität, und Verbundenheit. Aus ganz Deutschland hätten die betroffenen Mitglieder besorgte und ermutigende Nachrichten bekommen. Man wollte wissen, wie es ihnen gehe und ob man etwas tun könne. Dass man für sie chantet und man bereits nach Möbeln, Anziehsachen oder allem anderen schaue, was durch die Flut verloren gegangen oder zerstört worden ist. Die Mitglieder fühlen sich dankbar durch „das Netzwerk an guten Freunden“, das sie in der SGI gefunden haben, und dass der Glaube ihnen in dieser schwierigen Zeit eine große Stütze sei. Sie sind sich sicher, dass sie durch das Daimoku beschützt waren, und versuchen, trotz der erlebten Katastrophe für andere ein Leuchtturm zu sein, bei dem man gerne ist. So haben sie sich entschlossen das Leid, das ihnen widerfahren ist, in großes Glück für sich und die Menschen in ihrer Umgebung zu verwandeln. Und zur großen Freude eines betroffenen Mitgliedes fing der Enkelsohn, der zum Helfen kam, von sich aus an zu chanten.

Am 6. Juni 2021, dem Tag von Meister und Schüler in Europa, ermutigte uns Präsident Ikeda in seiner Grußbotschaft: „Der Nichiren-Buddhismus ist die höchste Philosophie der Würde des Lebens. Diese Lehre befähigt jeden Menschen, im eigenen Leben unerschütterlichen Mut, Weisheit und Mitgefühl hervorzubringen. Deshalb gilt: Sie können Ihr Leben auf das Wunderbarste erstrahlen lassen, wenn Sie Ihre menschliche Revolution auf Ihre ganz eigene Art und Weise machen, völlig unabhängig davon, in welchen Umständen Sie sich derzeit befinden mögen. Sie können Ihr Leben aufrichtig Ihren Freundinnen und Freunden und der Gesellschaft widmen. Sie werden alle Menschen um sich herum zu Glück, Frieden und Sicherheit führen. Im Nichiren-Buddhismus finden Sie immer die vollendete Lichtquelle, mit der Ihnen das ohne jeden Zweifel gelingen wird. Ich hoffe aufrichtig, dass Sie alle über die unmittelbaren Herausforderungen triumphieren, mit denen Sie derzeit konfrontiert sind! Sie haben das Herz eines Löwenkönigs, das sich auch angesichts von Widrigkeiten niemals besiegen lässt. Stolz zeigen Sie durch Ihr eigenes Beispiel, wie außergewöhnlich das Leben eines Bodhisattva aus der Erde ist, das Kosen-rufu gewidmet ist.“ (Express 362, S. 1)

In seinem Brief zur Hochwasserkatastrophe am 16. Juli 2021 schreibt Leonardo Duricic: „Die Naturkatastrophe (…) macht uns fassungslos, dennoch können wir ein Zeichen der Hoffnung sehen: es ist die Solidarität unter den Menschen in dieser herzzerreißenden Situation. Ich bin daher überzeugt, dass unsere Bemühungen für Kosen-rufu, unsere Dialoge der Hoffnung und Ermutigung, von größter Bedeutung sind. Jeder noch so kleine Schritt wird dazu beitragen, Samen der Hoffnung zu säen und Schätze des Herzens zu mehren. ‚Wertvoller als die Schätze in einem Schatzhaus sind die Schätze des Körpers – und die Schätze des Herzens sind die wertvollsten von allen.‘ (SND, 1052) Es gibt keine größeren Schätze als menschliche Eigenschaften wie Mut, Mitgefühl und Hoffnung. Nicht einmal eine solche Katastrophe kann diese Herzensschätze zerstören.“