Liebe Weggefährtinnen und Weggefährten, ich hoffe, Ihr seid alle gut ins neue Jahr gestartet?! Kathleen Hoêtsu von der Peacemaker Gemeinschaft ist in der stillen Zeit des Jahreswechsels in den „Reue-Vers“ eingetaucht, der im Zen häufig rezitiert wird. Ihr könnt ihre Betrachtungen in einer 5-teiligen Reihe im Blog der Peacemaker Gemeinschaft lesen. Hier eine leicht gekürzte Fassung für die Netzwerkseite…:
Reinigung, jetzt und hier – im Wir. (oder: Alter Vers neu durchspürt)
In den Tagen des Übergangs „zwischen den Jahren“, einer schwebenden Zeit, die von alters her das Angebot von Stille, Besinnung und Durchlässigkeit mit sich bringt, wendet Ihr vielleicht auch Kopf und Herz hin und her zwischen Rückschau auf das vergehende Jahr und Ausblick auf das neue. Wie viel Freude, wie viel Schmerz, wie viel Sorge, Dankbarkeit und Gleichmut ist jeweils dabei?
Neben vielen Aktivitäten hat ein stiller Prozess mein Jahr 2024 geprägt, von dem ich euch heute und in den nächsten Tagen ein wenig erzählen möchte. Es passt gut in diese Übergangszeit, denn es geht um Reinigung – um den traditionsreichen Reue-Vers, den wir auch bei den Zen-Peacemakern zu vielen Anlässen, bei Retreats und auch an unseren BesinnungsTagen rezitieren.
Der Reue-Vers* als MenschheitsBekenntnis
Während der Meditation pflege ich im Stillen einige Mantren zu rezitieren, darunter den „Reue-Vers“. Hier die Version, wie ich sie bei den ZenPeacemakern gelernt habe (bzw. eine leichte Abwandlung davon):
Alles ungelöste Karma, das je durch mich verursacht wurde
mit meiner anfanglosen Gier, meinem Ärger und meiner Verblendung,
geboren aus meinem Körper, meiner Sprache und meinem Bewusstsein
bekenne und bereue ich.
An einem Morgen im Mai 2024 erschien dieser alte Vers in meinem Inneren plötzlich nicht mehr im Singular, sondern im Plural, dazu in einigen Abwandlungen:
Alles ungelöste Karma, das wir je verursacht haben
mit unserer anfanglosen Gier, unserem Ärger und unserer Verblendung,
geboren aus unseren Körpern, unserer Sprache und unserem Bewusstsein,
bekenne, bezeuge, bereue und löse ich JETZT.
Es stellte sich unmittelbar ein Stimmigkeitsempfinden ein, das eine innere Weite, Lösung/Entspannung von Muskulatur und Tränen der Befreiung mit sich brachte. Ein weitaus stärkeres Echo, als der Reue-Vers bisher in der ich-Form bei mir ausgelöst hatte. Es war das Empfinden, nicht nur für individuelle „Fehler“ einzustehen, sondern auch für das, was wir als Spezies Mensch dem lebendigen Planeten und einander angetan haben und weiter täglich antun.
Der Wechsel ins „bekennende WIR“ ist kein mich-in-der-Menge-Verstecken. Es bringt zweierlei mit sich, was meine unmittelbare körperliche Reaktion spiegelt: ein mich-verbunden-Wissen auch im Schädlichen (= nicht in die Trennung gehen, wenn es um Unangenehmes geht), und die Vergrößerung der Dimension, um die es geht und gehen muss, wenn Reue zu zeigen ist.
Mittlerweile – nach Monaten des Rezitierens und wirken-Lassens dieser Bewegung, die mir einen traditionsreichen buddhistischen Vers ganz neu zugänglich machte; nach einigen Gesprächen darüber mit vertrauten Menschen, nach mehreren Zwischenstadien und experimentellen Versionen – hat der Vers diese Gestalt angenommen, mit der ich nun bereits seit einigen Wochen meditiere:
„Alles Zerstörerische, das wir als Menschheit* in die Welt gebracht haben
mit unserem Nicht-Wahrhaben von Vergänglichkeit und AllverbundenSein,
mit Gier, Hass, Verblendung, wie wir sie in unserem Tun, unseren Worten und Gedanken verbreiten,
und alle Auswirkungen davon
erkenne ich an. Ich stelle mich in die Mitverantwortung.
Mein Herz öffnet sich dem Leiden, das daraus entstanden ist und täglich neu entsteht.
Ich will JETZT, immer mehr, Teil der Lösung sein.“
( * hier mitgedacht: „als industrialisierter Teil der Menschheit“ ).
Eine ziemliche Veränderung – und doch ist mir die Botschaft des Reinigungs- und Reue-Verses so nah wie nie zuvor.
Ich möchte hier ein wenig Einblick geben in diese Wandlung und in einige Bedeutungsfacetten.
Hier zunächst noch einmal etwas zur Geschichte dieses Verses:
„… Der Vers ist Teil der Reue-Zeremonie Ryaku Fusatsu, wobei Ryaku ‚einfach‘ bedeutet und Fusatsu mit ‚eine gute Praxis fortsetzen‘ oder ‚den schädlichen Handlungen ein Ende machen‘ übersetzt werden kann. Die Reue-Zeremonie ist eine der ältesten Zeremonien, die auf die Lebzeiten von Shakyamuni Buddha zurückgeht. Damals versammelte sich die ganze Sangha und rezitierte alle Gebote. Darauf bekannte sich jeder Mönch und jede Nonne öffentlich zu begangenen Verstößen und den übertretenen Geboten und praktizierte dann die Reue. Diese Zeremonie fand jeden Monat, am Abend des Vollmondes statt. Ihr Ursprung liegt in den Reinigungszeremonien der Brahmanen, die bereits lange vor der Zeit Shakyamuni Buddhas praktiziert wurden. Sie wurde von Indien über China nach Japan weitergegeben, wo sie noch heute in allen Tempeln praktiziert wird, auch anlässlich der Weitergabe der Gebote, der Jukai-Zeremonie.“ (Study Buddhism / Alexander-Berzin-Archiv)
… also ein Ritual der Selbstschulung, um sich im Einhalten oder Verkörpern ethischer Richtlinien zu verbessern. In der oben genannten Quelle wird diese Praxis noch einmal mit anderen Worten kommentiert:
„Betrachten wir all die Fehler und Missverständnisse, die uns in unserem gesamten Leben unterlaufen sind, dann hören wir damit auf, Dinge unverhältnismäßig zu sehen. Nicht mit Schuldgefühlen, sondern mit Vergebung entschließen wir uns, die Handlungen nicht zu wiederholen.“
Mit dieser Entschlossenheit im Sinn hier nun noch einmal die aktuelle Version des Verses, mit der ich derzeit meditiere, als Fließtext:
„Alles Zerstörerische, das wir als Menschheit* in die Welt gebracht haben mit unserem Nicht-Wahrhaben von Vergänglichkeit und AllverbundenSein, mit Gier, Hass, Verblendung, wie wir sie in unserem Tun, unseren Worten und Gedanken verbreiten, und alle Auswirkungen davon erkenne ich an. Ich stelle mich in die Mitverantwortung. Mein Herz öffnet sich dem Leiden, das daraus entstanden ist und täglich neu entsteht. Ich will JETZT, immer mehr, Teil der Lösung sein.“
Einige Gedanken zur ersten Zeile: Alles Zerstörerische, das wir je in die Welt gebracht haben… (ha, hier schon wieder eine Variation zu der Version oben! Es verändert sich laufend…):
Statt sich auf „schlechtes“ oder „ungelöstes Karma“ zu beziehen, wie es in älteren Versionen am Anfang des Verses geschieht, bricht sich hier das Bedürfnis Bahn, die Wirkung unseres Handelns in der Welt radikal, auch unangenehm beim Namen zu nennen: Es ist in weiten Teilen zerstörerisch. Ein Begriff, der mich selbst während der inneren Rezitation immer wieder erschreckt, und also: wach macht.
Dann das erste WIR (statt im UrsprungsVers „das ICH je verursacht habe“). WIR als Kollektiv, WIR als Spezies Mensch – gleich hier katapultierte mich diese kleine Veränderung des Personalpronomens aus der individuellen Kleinheit und Selbstbeschuldigung hinein in die Ungeheuerlichkeit dessen, was wir als Menschheit durch alle Zeiten des Existierens unserer Gattung getan haben. Doch Differenzierung ist angebracht: WIR ist, wenn es um Zerstörung geht, eher der Teil der Menschheit, der im globalen Norden siedelt; eher der Teil der Menschheit, der herrscht und über die eigenen Verhältnisse lebt. Der Teil der Menschheit, der die Gesetze der Selbstorganisation unseres Planeten derart missachtet hat, dass tatsächlich von Zerstörung gesprochen werden kann (muss?). Auch war dieser Teil der Menschheit nicht zu allen Zeiten rundweg zerstörerisch – nicht so „effektiv zerstörerisch“ wie in der Neuzeit. Insbesondere in den letzten 200 Jahren, seit dem Zeitalter der Industrialisierung, die wir zur maschinellen Ausbeutung der Ressourcen unseres Planeten genutzt haben, haben wir Maß und Gespür für natürliche Grenzen verloren. Jetzt sind wir gar zu viele geworden und verbrauchen bereits die Ressourcen von fast zwei Erden pro Jahr. (Und WIR heißt hier: Sowohl die, die dies ganz praktisch mit ihren Maschinen und ihrer Gier tun, als auch die, die davon gedankenlos profitieren und ihren Lebensstil auf Kosten des globalen Südens unhinterfragt weiterführen.) Wie „wir“ durch unsere Taten, unser Umgehen mit Mitgliedern unserer eigenen Spezies, mit anderen Arten von Lebewesen, mit den Elementen unseres Lebensraums (Wasser, Boden, Luft, Wärme) und sogar schon mit dem Weltall, in dem dieser Planeten sich dreht, massenhaft ungelöstes Karma verursacht und geschaffen haben – dies erreicht mich und spüre ich, wenn ich diese erste Zeile rezitiere.
Im Folgenden nun einige Betrachtungen zu den weiteren Zeilen des ersten Teils:
mit unserem Nicht-Wahrhaben von Vergänglichkeit und AllverbundenSein…
Zunächst war mir – und einigen meiner Gesprächspartnerinnen ebenso – die Lösung von der aus dem Christentum so wohlbekannten Selbstverurteilung wichtig, die meist entweder in Selbstabwertung oder in Flucht vor der Einsicht endet. Das können wir heute nicht mehr gebrauchen, um mit unserer Selbst-Transformation voran zu kommen. Denn was sind die Ursachen von Gier = (immer mehr) haben-wollen, von Ärger = nicht-haben-wollen/ablehnen und Verblendung = nicht-sehen-wollen? Es ist vor allem das nicht-Wahrhaben unserer Sterblichkeit und unseres aufeinander-angewiesen-Seins. Die Ahnung von beidem führt zu Anhaften/Festhalten (Gier), zu Wegsehen/Leugnen oder auch aktiver Ablehnung bis hin zum Kriegführen (Hass/Verblendung).
Selbst hier wollte ich das „nicht-Wahrhaben“ nicht durch ein „-Wollen“ oder „-Können“ ergänzen; ich möchte nichts unterstellen, niemanden psychologisieren. Nur die Ursachen für Verhalten berühren. Und mich in der Tiefe verbinden mit dem, was uns als Menschen ausmacht und treibt. Und dies sagt nicht, dass die schädlichen Verhaltensweisen (Gier, Zorn, Verblendung) auf der relativen Ebene nicht benannt und auch bekämpft werden müssen!
… mit Gier, Hass, Verblendung, wie wir sie in unserem Tun, unseren Worten und Gedanken verbreiten …
Ich ließ mich im tiefen Austausch mit Dharma-FreundInnen überzeugen, dass die Geistesgifte zu benennen sind in einem Vers, in dem es um Bekennen, Reue und Reinigung geht. Wie das Zerstörerische in der ersten Zeile. Es gibt Gier, Hass und Verblendung nun einmal – mehr oder weniger ausgeprägt und ausgelebt im Denken, im Sprechen oder Handeln, doch in uns allen weckbar. Und die Hoffnung, diese Geistesgifte würden verschwinden, wenn wir nur alle genug meditierten oder Vergänglichkeit und AllverbundenSein wahrhaben würden, mag schon Verblendung sein. Das schmerzliche Anerkennen von zutiefst menschlichen Eigenschaften oder Möglichkeiten, die wir in intensiver Geistesschulung vielleicht als Lebenskräfte verstehen können (statt sie als Geistesgifte abzuspalten) und auf diese Weise in schöpferische Energie verwandeln lernen. Und auch diese stille Arbeit an uns selbst enthebt uns nicht der BürgerInnenpflicht, die Stimme zu erheben gegen das an unseren Mitmenschen, was Hass predigt, unersättlich ist und ideologische Dogmatik (und damit Ausgrenzung) schürt.
… und alle Auswirkungen davon…
Hier schließt sich der Kreis zum Karma-Gedanken: Nicht nur für das, was wir direkt hervorbringen oder erzeugen (s.o.), haben wir einzustehen. Sondern auch alles, was sich in einer vernetzten Welt an Schaden daraus entwickelt, ist im Blick zu behalten und auf uns rückzubeziehen. Wenn du deinen Unmut z.B. über eine politische Entscheidung in einem sozialen Medium postest – weißt du, was daraus wird?
Willkommen zum vierten und vorletzten Teil der Kontemplationen zum Reinigungs-/ReueVers. Zur Orientierung darüber, wo wir uns gerade befinden, zu Anfang noch einmal die komplette aktuelle Version des Verses, mit der ich derzeit meditiere:
„Alles Zerstörerische, das wir als Menschheit je in die Welt gebracht haben mit unserem Nicht-Wahrhaben von Vergänglichkeit und AllverbundenSein, mit Gier, Hass, Verblendung, wie wir sie in unserem Tun, unseren Worten und Gedanken verbreiten, und alle Auswirkungen davon erkenne ich an. Ich stelle mich in die Mitverantwortung. Mein Herz öffnet sich dem Leiden, das daraus entstanden ist und täglich neu entsteht. Ich will JETZT, immer mehr, Teil der Lösung sein.“
Hier ein paar Überlegungen zum zweiten Teil des Verses::
… erkenne ich an. Ich stelle mich in die MitVerantwortung….
Nach den vielen Reizwörtern des ersten Teils, die innerlich Widerstand, Rebellion, Gefühle des Überwältigtseins oder der Verzweiflung hervorrufen können (Zerstörung, die ganze Menschheit, Gier, Hass, Verblendung, endlos hervorgebracht…), findet hier eine stille Implosion statt: Das ist alles so ablehnenswert, so schrecklich – doch die Praxis des Zeugnis-Ablegens hat uns gelehrt, erst einmal einfach zu sehen, was ist. DAS ist mit Anerkennen gemeint – nicht EinverstandenSein. Dies alles sehen, nicht wegschauen, nicht weglaufen, nicht leugnen. Dies ist der Moment, vom WIR zum ICH zurückzukehren, denn diese Aus- und Zusagen kann ich nur persönlich machen, diese Selbstverpflichtungen kann ich nur für mich eingehen. Eigenverantwortung ist unumgänglich. Hier stehe ich und sage: Ja, so ist es. Auch wenn es weh tut. Und dies nicht nur „von außen“, als distanzierte Beobachterin, nicht mal nur vom Rande her: Nein, ich mache den Schritt in den Kreis dessen, was ist, stelle mich hinein in die systemische Mitveranstwortung für das, was wir als (industrialisierter, die Nordhalbkugel bewohnender Teil der) Menschheit dem Lebendigen antun. – In jeder neuen Meditation des Verses mache ich im Körpererleben tatsächlich einen Schritt. Nicht fort von all dem Schwierigen und Schrecklichen. Sondern darauf zu.
… Mein Herz öffnet sich dem Leiden, das daraus entstanden ist und täglich neu entsteht …
Dann, wenn ich mittendrin stehe, die Anforderung des Hinschauens mir fast den Atem raubt – dann öffnet sich mein Herz. Der Wunsch davonzulaufen oder „die anderen“ für ihr schädliches Verhalten zu bestrafen verwandelt sich in Mitgefühl. Statt vom Schrecklichen mich einschüchtern zu lassen, wird mein Herz riesig weit, wächst mit dem gewaltigen Ausmaß an Leid, das diese menschlichen Verhaltensweisen verursacht haben. Bis heute – und, keine schöne Nachricht: täglich neu. Heute. Auch morgen, übermorgen. Das ganze neue Jahr 2025 hindurch, das ist absehbar… Mein Herz schmerzt, doch es bleibt offen und ist fähig, dem Strom des Leidens einen Strom des Mitfühlens beizugeben.
Das Wort „bereuen“ (wie es im ursprünglichen Vers an dieser Stelle heißt) hat selten eine wirklich tiefe emotionale Wirkung auf mich gehabt – vielleicht doch zu viel selbstbezichtigende, lähmende Sozialisation im christlichen Kulturkontext. Hier, was diesen zweiten Teil des Verses angeht, habe ich einen Vier-Schritt beobachtet, der meine innere Bewegung einigermaßen abbildet:
Schritt 1: Ich beginne mit dem Anerkennen all dessen, was ich vorher benannt habe. Ich leugne es nicht mehr, ich laufe nicht davor weg, ich bleibe und schaue mit offenen Augen hin.
Schritt 2:: Ich lasse das alles an mich heran, trete näher und mitten hinein („… Ich stelle mich in die MitVerantwortung …„). Ja, ICH als Teil dieses WIR trage (mit) Verantwortung für die Zerstörung, die die Spezies Mensch auf diesem Planeten angerichtet hat. Ich verstehe dies und lasse es auf mich wirken.
Schritt 3: Nicht nur mein Geist, meine Einsicht erkennt an und tritt in die Verantwortung ein – auch mein Nervensystem, mein Empfinden, mein Schmerzkörper ist aktiviert („… mein Herz öffnet sich dem Leiden…“): Ich lasse mich spüren, was Zerstörung und schädliches Verhalten anrichten; ich stelle mich, meinen Organismus als Sensorium zur Verfügung, als Seismograph des Leidens; ich gebe meiner Verzweiflung, Trauer, Einsamkeit, Hilflosigkeit Raum (auch stellvertretend für die, die keinen Raum dafür haben, weil sie um ihr Überleben kämpfen oder diesen Kampf schon verloren haben).
Was, wenn unser Mitgefühl (und das unserer MitWesen) genauso unerschöpflich ist wie unser Leiden (und das unser MitWesen)?
Oben habe ich anhand des zweiten Teils des Verses meine meditative Erfahrung eines VierSchritts im Zeugnis-Ablegen skizziert und die drei ersten Schritte benannt: anerkennen (dessen, was ist) + eintreten (in die MitVerantwortung, in die Situation) + öffnen (Herz, Schmerzkörper, Nervensysteme).
Nun zur letzten Zeile meiner Version des Verses:
… Ich will JETZT, immer mehr, Teil der Lösung sein.
JETZT – in diesem Moment, und in jedem nächsten – entscheide ich, dass ich zu Zerstörung und Schädlichkeit nicht mehr beitragen will. Auf das Wollen, die Entschlossenheit kommt es an. Ich kann nicht sicher sein, dass es mir immer gelingt; ich kann nicht sicher sein, dass ich unterwegs nicht immer wieder zweifle, verzage. Aber mit dieser inneren Entscheidung mache ich den Schritt vom Zeugnis-Ablegen (zweiter Grundsatz der ZenPeacemaker) ins Handeln (dritter Grundsatz der ZenPeacemaker).
Eine Zeitlang rezitierte ich hier die Formulierung „(…das ungelöste Karma…) … löse ich jetzt“. Die Übersetzung von „… löse ich …“ in „… will…Teil der Lösung sein“ überzeugt und vitalisiert mich, vor allem, weil ich damit nicht mehr dem Akteurskult oder meinen Allmachtsfantasien huldige („ein Mensch löst die Probleme der Welt“), nicht mehr dieser Art von Überverantwortlichkeit aufsitze, die so viele Klima- und Friedens-Aktivisti ins Ausbrennen geführt hat („ALLES hängt nur von mir ab“). Sondern weil ich mich einordne in das komplexe, systemische Lösungsgeschehen, von dem ich ein Teil(chen) sein und zu dem ich beitragen will.
Auch wenn JETZT immer der eine Augenblick ist, der Moment, in dem ich mich stets aufs Neue entscheide: „… immer mehr …“ signalisiert mir das Prozesshafte, das Aufbauende: Es geht nicht von Null auf Hundert (vom Zerstörerischen gleich in die Lösung), sondern ich begreife es als Weg, den ich stetig gehen will, an dem ich täglich weiter wirken kann. Ich treffe immer neu die Entscheidung, mich vom Zerstörerischen hin zum Leben-Schützenden zu wenden, und ich wachse in die Lösung hinein, bis zu meiner eigenen Auf-Lösung. Mich irgendwann aufzu-lösen in die Erde, mit meinen Knochen, die ich bis dahin auftanken will mit der Schönheit und dem Licht dieses Lebens – auch damit bin ich „Teil der Lösung“.
Damit endet diese Blog-Kontemplation. Ich danke für’s Lauschen und die freundlichen Reaktionen! Nochmals auch mein Dank an Sabine, Ursula, Sita, Johannes und Dorle (Verlinkungen zu euch s. Beitrag 1) – ihr habt alle hierzu beigetragen. Und wen etwas an all dem stört – mit einer augenzwinkernden Verbeugung Richtung Bernie sage ich: Es ist nur meine Meinung, Leute!
Möge unser nicht-Handeln (Sein-lassen) ebenso wie unser Handeln das Wohl aller Wesen und der Erde mehren, auf der wir miteinander leben.
Hier nochmal der Link zum Blog der Peacemaker Gemeinschaft: https://zen-peacemakergemeinschaft.de/blog